Mongolei: Auf dem Pferderücken zu den Nomaden

Ein Klopfen an die Tür reißt mich frühmorgens aus dem Schlaf. Aus dem Schlafsack kriechend, tauche ich unter einem vom Sattel hängenden Steigbügel hervor. Meinen Oberkörper neunzig Grad nach vorne gebeugt, öffne ich die Jurtentür und blicke mit aufgerissenen Augen in ebensolche eines Ziegenbockes. Fassungslos starren wir einander im Morgengrauen an.

Acht Tage sind wir mit Pferden im Orkhan Tal in der Zentralmongolei unterwegs und mit Nomaden und ihren Tieren auf Tuchfühlung. Es ist ein wolkenloser Morgen und die ersten Sonnenstrahlen kratzen am Bergkamm. Ein Meer von Tautropfen bedeckt die Wiese und glitzert eindrucksvoll in der aufgehenden Morgensonne. Ich ziehe die Reitstiefel an und spaziere entlang des mäandernden Bachbetts, vorbei an grasenden Schafen und Ziegen. Ein berittener Nomade treibt seine Yakherde vor sich her und Erdmännchen huschen durchs Gras. Eine friedliche Stille füllt das Tal. Nur der Ruf eines Kuckucks, gelegentliches Grunzen eines Yaks und das sanfte Plätschern des Baches sind zu hören. Ich spaziere über die Wiese zu unseren Pferden, setze mich auf einen Stein und beobachte, wie sie genussvoll ins Gras beißen. Tautropfen, mein mongolisches Reitpferd, spitzt die Ohren und blickt auf. Eine Pferdeherde taucht hinter dem Bergkamm hervor und galoppiert den Hang herunter. Ein dumpfer Hall breitet sich aus  und eine besondere Energie schwingt mit. Fröhlich kommen die Pferde auf uns zugelaufen und halten vor dem Bach zum Trinken. Die Fohlen stolpern direkt ins Wasser und demonstrieren Freude. Gut getränkt ziehen sie weiter.

Es ist kurz vor acht Uhr, als ich zur Jurte zurück komme. Eine Nomadenfrau tritt mit einem Holzbrett mit kleinen Käselaibchen aus ihrer Jurte und legt sie zum Trocknen auf das Jurtendach. Einige Mitreisende sind mit der Morgenhygiene beschäftigt, das Frühstück ist bereits aufgetischt.

Bevor wir weiter reiten, greifen wir zu unserem Würfelspiel „Shagai“. Gewürfelt wird mit vier Schafsknöcheln und ihre Lage definieren ein Kamel, ein Pferd, ein Schaf oder eine Ziege. Heute fallen drei Kamele und ein Pferd – die Kombination steht für „Glück und Freude“. Ein gutes Omen für einen weiteren schönen Tag.

Unsere Reitführer satteln die Pferde und wir verlassen das Seitental. Abseits von Pisten und Touristen reiten wir entlang von Flüssen, über Hügel und Wälder und galoppieren Steppen querfeldein. Inmitten faszinierender Landschaften und unendlicher Weiten begegnen wir Herden mit Pferden, Schafen, Ziegen, Rindern und Yaks.  Auch Adler und andere Greifvögel begleiten uns.

Unterwegs zu den acht Seen entladet sich ein heftiges Gewitter. Es donnert gewaltig und der Regen peitscht uns ins Gesicht. Am ersten See angekommen, übernachten wir nicht wie geplant im Zelt, sondern eine Nomadenfamilie stellt uns freundlicherweise eine Jurte zur Verfügung. Holz liegt schon bereit, und wir heizen den Ofen an, denn nachts kühlt es in den Bergen auch im Sommer ziemlich ab. Nachdem die Kleidung zum Trocknen hängt, und das Kabel der Glühbirne an eine Autobatterie angeschlossen ist, freuen wir uns auf ein Bier, lauschen dem Regen und Lachen der Mongolen in der Nachbarjurte. Das Feuer knistert im Ofen und Eindrücke und Erlebnisse des heutigen Tages werden erneut aufgewärmt.

Mehr Fotos gibt es zusammengefasst in einer Diashow unter folgendem Link auf YouTube.

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

6 Kommentare zu „Mongolei: Auf dem Pferderücken zu den Nomaden“

  1. Liebe Regina, du hast unsere gemeinsame Reise nicht nur in Bild, sondern auch auf sprachlicher Ebene umreißend eingefangen. Dank dir, dürfen wir uns einer wunderbaren Erinnerung erfreuen.
    Ein gutes Leben wird getragen von schönen Augenblicken!

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