Abenteuer Sprache

Wenn Wörter zu Goldfischen mutieren, Eselsbrücken kapitulieren, das Ich zum Penis wird, und sich das Wasser gekitzelt fühlt, dann ist kommunizieren abenteuerlich.

Als Weltbürgerin beschäftige ich mich gelegentlich auch mit Sprachen, selbst wenn Gott mich dafür nicht geschaffen hat. Seit kurzem lerne ich Arabisch. Dass die Schrift von rechts nach links geschrieben wird, ist mir sympathisch, zumal ich im Alter von fünf Jahren eine etwas außergewöhnliche Schreibpraxis pflegte, und meinen Namen in Spiegelschrift malte, wovon die elterliche Hausbibliothek zeugt. So gar nichts anzufangen, weiss ich jedoch mit dem arabischen Vokabular. Jedes Wort verwandelt sich in einen Goldfisch und schwimmt an meinem Gedächtnis vorbei, während ich luftschnappend das Nachsehen habe. Ich beginne Eselsbrücken zu bauen, doch sie halten nicht stand. Ich lege Fangnetze aus, doch sie sind zu grobmaschig und die Beute geht frei. Ich versuche es mit Vernetzungen, allerdings mündet die komplizierte Auflösung in Ablenkung und schließlich zur Frage: Wo bin ich stehengeblieben? Um mich von einem temporären Motivationstief zu erholen, greifen meine Lehrerin und ich zum Stift und schreiben meinen Namen. So sehr mir die arabischen Zeichen gefallen, stelle ich zu meinem Bedauern fest, dass Regina meinem ästhetischen Empfinden gar nicht schmeichelt, und wir kehren zurück zum Dialog. Fortsetzung folgt. Insha’allh.

Laotisch

Mit zunehmender Zeit im Ausland, sinkt auch die Hemmschwelle in einer Fremdsprache zu kommunizieren. Mein Perfektionsanspruch ist in diesem Genre unterentwickelt. Entsendet in ein laotisches Dorf namens Oudomsay, scheinen mir ein paar Brocken laotisch nützlich und ich lerne sie. Laotisch ist eine tonale Sprache, wobei ein Wort, je nach Tonlage, bis zu fünf verschiedene Bedeutungen haben kann. Selbstbewusst schreite ich von der Theorie zur Praxis. Im Dorf angekommen, sind bereits rund 40 Kollegen zu einem Training versammelt. Eine günstige Gelegenheit, mich dem Team vorzustellen, meint der Chef. Ich befolge den Rat meines Sprachlehrers, jede Gelegenheit zur Anwendung der laotischen Sprache zu nutzen, und verzichte auf eine Übersetzung. Neue Sprache, neue Umgebung und unbekannte Gesichter heben den Ruhepuls um gefühlte 20 Schläge, und auch den Ton. Dieser verzerrt sogleich den Inhalt meiner kurzen Vorstellung und nicht mehr ich als Person, sondern der Penis heißt Regina und anstelle meinem neuen Chef, danke ich ihm, dem Schwein. Die Gruppe ist sichtlich amüsiert, während ich mich ahnungslos über die fröhliche und entspannte Stimmung im Team freue.

Chinesisch

Am Bahnhof von Guanghzou – kein lesbares Zeichen, kein verständliches Wort. Trotzdem, der Gedanke ein bisschen Chinesisch zu lernen, keimt nicht. Da mein Name sich nicht direkt ins chinesische übersetzten läßt, bekomme ich einen neuen. Nach kurzer Beratung unter den Kollegen war dieser gefunden:  „Than Le Na“. Die drei Zeichen stehen für Dynastie und groß, Glück und Fröhlichkeit sowie Eleganz. Der schöne Name ist Anlass genug, ihn auf chinesisch schreiben zu können, und ich greife zum Pinsel. 

Russisch

Sie nennen ihn „bjeli chai“, also weißer Tee.  In Tajikistan wird er von Muslimen zum Essen aus einer Teekanne in Teeschalen serviert. Getrunken wird er kalt und manchmal brennt er leicht in der Nase, wenn man die Tasse zum Munde führt. 40 % Alkohol stecken in ihm. Wir nennen ihn Wodka. Jeder Toast (kurze Tischrede) ist von einem Schluck „bjeli chai“ begleitet. Die Toasts bekommen in der Sitzrunde rasch eine Eigendynamik und getrunken wird auf die Gesundheit, Freundschaft, Zukunft und vieles mehr, denn der Abend ist lang. Auf einen Toast sollte man in Tajikistan vorbereitet sein, denn Tajiken sind ein sehr gastfreundliches Volk.

Kreol

Geographische Präzision ist manchmal sekundär. Wenn die haitianische Frau Mama ihre Kinder und Enkelkinder in New York besucht, heißt das noch lange nicht, dass die Reise tatsächlich dorthin geht, denn New York und Miami werden gerne als Synonym für die Vereinigten Staaten verwendet. Kreole wird leidenschaftlich durch die Blume gesprochen und ist eine bildhafte Sprache, wie auch die Namensgebung zeigt. Der Wochentag oder die vorherrschende Situation bei der Geburt des Kindes, sowie Objekte des Alltags führen zu ungewöhnlichen, lustigen und auch tragischen Vornamen, wie z.B. Innocent (Unschuldige), Petite homme (Kleiner Mann), Monpremier (der Erste), Cherenfant (liebes Kind), Exume (Ausgegraben), Point du jour (Tagespunkt), Beauplan (schöner Plan), Exilhomme (Mann im Exil), Malbranche (schlecht verbunden), Misere (Elend), Souffrance (Leiden), Grand Pierre (Großvater), Belltent (schöner Zahn), Joliboir (Schönes Holz – wobei boir ist auch ein Synonym für das männliche Geschlecht) und Dieulifet (der von Gott gemachte).
Immer wieder gerne erinnere ich mich an einen Kommentar über eine aufsteigende Fontäne, die ein Auto provozierte, als es durch die Pfütze fuhr: „Das Wasser wurde vom Auto gekitzelt.“.

Möge uns die Freude am Erlernen einer Fremdsprache und an der Begegnung mit fremden Kulturen zeitlebens erhalten bleiben.

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

4 Kommentare zu „Abenteuer Sprache“

  1. wenig ist besser als nichts – auch beim Sprachelernen. Viel Spaß mit dem Arabischen!
    (Kürzlich las ich, dass Friedrich Rückert 40 Sprachen soweit beherrschte, dass er sie sogar lehren konnte. Er hat u.a. den Koran teilübersetzt. Mehrere Fremdsprachen zu sprechen war bei den Gebildeten ziemlich normal. Auch in der Antike muss es normal gewesen sein, sich in fremden Zungen zu unterhalten. Wie sonst wäre zB ein Gespräch zwischen Solon und ägyptischen Priestern möglich gewesen? Heute? Trotz Tourismus ohne Ende sprechen die meisten nur Englisch).

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    1. Ja genau, das finde ich auch. Der Spaß mit dem Arabisch schleicht langsam ums Eck, Tendenz steigend.
      Friedrich Rückert ist mir unheimlich. Seine Kompetenz kann ich in meiner Vorstellung kaum erfassen. Unglaublich, welches Genie im Menschen steckt.

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