Kunst ist Umwelt, Umwelt ist Kunst

Ein Junge mit zerknitterter Krone sitzt mit seinem Thron auf einem Müllhaufen. Den Sauerstoff atmet er mithilfe eines Schlauchs von einem Glasbehälter, in dem eine Pflanze wächst. Im Hintergrund qualmt es aus dem Schornstein. Mit diesem Wandgemälde macht der Künstler Yazan Mesmar eindringlich auf die Zerstörung unserer Umwelt und die damit einhergehende Vergänglichkeit des Menschen aufmerksam.

Der Müll ist in Jordanien ein gravierendes Problem. Zurückgelassene Abfälle im Wald, am Strand und in der Wüste sowie Plastikflaschen, Dosen und Becher, die während der Autofahrt aus dem Fenster geworfen werden, sind eine gängige Praxis. Müll wird auch in den entlegensten Gebieten entsorgt, wo man es nicht für möglich hält. Schlechte Gewohnheiten, mangelnde Bildung, fehlendes Umweltbewusstsein und ein falsches Verständnis, dass es die Aufgabe der Gemeindeverwaltung sei, öffentliche Plätze sauber zu halten, sind dafür verantwortlich. Aber auch ein unzureichendes Abfallmanagement, fehlende Gesetze bzw. geringe Kapazitäten diese umzusetzen, tragen dazu bei.

Das diesjährige Baladk Straßenkunstfestival stand heuer unter dem Motto „Art is Environment, Environment is Art“ und thematisiert auch die Müllproblematik. Nachdem das Festival aufgrund der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden musste, konnte es schließlich Mitte Oktober in angepasster Form und ohne internationaler Beteiligung durchgeführt werden.

Plastikmüll

Ein Verbot von Plastiktüten ist in manchen Ländern so unvorstellbar, wie auch möglich. Immer mehr Länder ergreifen Maßnahmen, um den Plastikmüll in den Griff zu bekommen. 76 Ländern haben bereits ein Verbot von Einweg-Plastiktüten mit unterschiedlichem Grad der Durchsetzung erlassen, 37 Länder erheben eine Gebühr pro Tasche.

Bangladesch war das erste Land indem 2002 ein Verbot für leichte Plastiktüten verhängt wurde, nachdem Überschwemmungen in den Jahren 1988 und 1998 zwei Drittel des Landes überfluteten, da aufgrund verstopfter Abwassersysteme und Wasserwege das Wasser nicht mehr abfließen konnte.

Kenia gilt in Afrika als Vorreiter und verbot bereits 2011 die Produktion und den Import von Einweg-Plastiktüten und 2017 deren Verwendung aufgrund schwerwiegender Umweltverschmutzung. Bei Gesetzesbruch drohen neben Geldstrafen bis zu 4 Jahre Gefängnis. Inzwischen ist in mehreren afrikanischen Ländern die Verwendung von Plastiktüten verboten.

In Europa setzt man vorwiegend auf die Vernunft der Bevölkerung und versucht über Steuern und Gebühren den Plastikmüll zu reduzieren, während in den USA Lobbyisten der Plastikindustrie eine nationale Steuer sowie ein Verbot von Plastiktüten verhindern. Dennoch gibt es in einigen Bundesstaaten Maßnahmen zur Eindämmung des Plastikmülls, wie z.B. in Kalifornien, New York u.a., während in Florida und Arizon sogar Gesetze verabschiedet wurden, die ein Verbot verbieten. Mehr zum Thema ist hier Phase-out of lightweight plastic bags nachzulesen.

Auch in Jordanien gibt es noch kein Gesetz zur Eindämmung des Plastikmülls, und vom Wind verwehte Plastiktüten sind ein augenfälliges Laster. 

Der Künstler Suhaib Attar widmet sich diesem Thema und zeigt einen Krieger mit einem Plastiksack in der einen, und einem roten Schild in der anderen Hand. Er kämpft gegen den Plastikmüll, der nicht nur ihn, sondern die Stadt und das ganze Land bedroht.  

Eine Frage, die mich in Jordanien immer wieder beschäftigt, ist diese Diskrepanz zwischen dem Sauberhalten des eigenen Wohnraums und dem achtlosen Wegwerfen von Abfällen in der Natur. Diese Sorglosigkeit gegenüber der Natur und seinen Mitmenschen steht darüber hinaus im eklatanten Widerspruch zur großzügigen Gastfreundschaft, die dieser Gesellschaft eigens ist. Dieses Thema greift die junge Künstlerin Maha Hindi auf, und nähert sich der Gegensätzlichkeit behutsam und mit freundlichen Farben.  

Sauberes Trinkwasser

Ebenfalls von Suhaib Attar stammt folgendes Wandgemälde, das eine Frau mit einem Wassergürtel um ihren Bauch zeigt. Jordanien zählt zu den wasserärmsten Ländern der Welt, daher ist Trinkwasser eine besonders kostbare Ressource. Mit diesem Beitrag macht der Künstler auf die Notwendigkeit zur Reinhaltung der Trinkwasserquellen aufmerksam.

Eingriffe in die Natur

Weltweit holzt der Mensch Wälder ab. 15 Milliarden sind es jährlich, das entspricht 476 Bäume pro Sekunde, um Land für die Viehzucht und Anbauflächen für Palmöl und Soya zu schaffen, lese ich in einer E-Mail von Avaaz, die ich soeben erhalte, während ich diesen Beitrag schreibe. Dem Eingriff in die Natur widmet sich auch der Künstler Aws Abusalah mit seinem Wandgemälde und zeigt, wie immer mehr Wälder und Grünflächen Betonbauten weichen müssen. Er packt Betonteile und Blätter in eine Sanduhr, um sie herum liefern sich Betty Boop, Kolo und Bimbo einem Wettlauf um die Zeit. Damit bringt der Künstler zum Ausdruck, dass der Mensch immer wieder den gleichen Fehler begeht, anstatt daraus zu lernen. Er befindet sich in einem tödlichen Kreislauf, der nur durch Entschleunigung und ein der Umwelt angepasstes Verhalten aufzuhalten ist.

Auch die Wandmalerei von Paola Farran gefällt. Die Künstlerin setzt sich mit der Übermacht der Natur auseinander und hüllt ein Transformatorgebäude in Blätter. Dem Werk liegt die Stärke und die unbezwingbare Kraft der Natur zugrunde, die sich letztendlich gegenüber den Menschen durchsetzen und sie überwältigen wird.

Und dann gibt es noch eine Reihe anderer Beiträge, die auf lieblich und verspielte Art das Thema Umwelt aufgreifen, wie etwa der Strohhalm, der von einer Blume geflötet wird, eine Lotusblume als Symbol der Reinheit, aus der eine Frau emporsteigt, das Kind, das ihren Kaugummi zu einem Ballon aufbläst, in dem ein Goldfisch schwimmt. Aber auch das Artensterben durch menschliches Verhalten wird in einem Beitrag angesprochen, wie etwas der vom Aussterben bedrohte Oryx, eine Antilope, die in der Wüste Jordaniens lebt und seit einigen Jahren geschützt ist.

Das Straßenkunst Festival wurde vom Balad Theater, unter der Leitung von Muath Isied, durchgeführt. Die Ergebnisse werden im Rahmen einer Kampagne zur Bewusstseinsbildung zum Thema Abfall und Umwelt verwendet.

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

2 Kommentare zu „Kunst ist Umwelt, Umwelt ist Kunst“

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