Let’s talk Jazz

Jazz berührte mich erstmals in Prag. Es war diese Leidenschaft der Musiker vor den noch grauen Mauern, die mich faszinierte. Gelebte Freiheit in einem von Zensur und Überwachung befreitem Land. Grund genug, den Internationalen Jazz Tag in Prag zu verbringen.

Das Boot gleitet die Moldau stromabwärts, an den Fenstern ziehen beleuchtete Bauten und belebte Restaurants vorbei, während auf der Bühne Elena Sonenshine mit ihrer Band Songs von Ella Fitzgerald und anderen Größen zum Besten gibt. Sie macht es gut, appelliert an die Liebe und Empathie für unsere Mitmenschen und holt die Zuhörer mit ihren Sehnsüchten und Wünschen ab. Zeitloser Jazz, manchmal melancholisch, dann wieder fröhlich, füllt das Boot und das Abendessen wird zur Nebensache. Ein gelungener Abend. Gut gelaunt und mit nachwirkenden Klängen in den Ohren spaziere ich durch die Gassen der Prager Altstadt. Zum Jazz Club Ungelt steht die Tür offen, und es klingt noch Gitarren-Blues aus dem Keller. Ich bleibe noch ein Weilchen stehen und lausche.

Es ist kein Zufall, dass ich den „Internationen Tag des Jazz“ in Prag verbringe, an jenem Ort, wo ich Anfang der 90er Jahre erstmals lebendigen Jazz erlebte. Die Grenze zur damaligen Tschechoslowakei war geöffnet, und ich machte mich kurz darauf neugierig auf den Weg ins Unbekannte. Die Mauern waren noch grau, die Stadt weitgehend farblos und manche Plätze wirkten bedrückend. Im Vergleich zu heute war die Zahl der Touristen überschaubar und Qualität hatte noch keinen Preis. Unterwegs im Prager Zentrum stieß ich gelegentlich auf kleine und größere Gruppen von Jazzmusikern. Zuerst war es die Musik, die mich neugierig anlockte, und dann diese lebendige Freude der Musiker, weshalb ich blieb. 

Den Passanten schenkten die durchwegs älteren Herren keinerlei Aufmerksamkeit, denn diese galt ganz und gar dem musikalischen Dialog und ihren Improvisationen, die sie zumeist selbst verzückten. Ihre gelebte Freude erfasste auch mich.

Sie unterschieden sich von den internationalen Straßenmusikanten, die man Anfang der 90er Jahre aus Westeuropa kannte, die sich mit dem Musizieren ihr Geld verdienten. Im Gegensatz zu ihnen, fand man die Prager Jazz Musiker oft in Seitenstraßen und nur selten stand eine Geldsammelbüchse vor ihnen. Im Vordergrund stand nicht das Generieren von Einkommen, sondern das gemeinsame Musizieren. 

Jazz im Kommunismus

Unter kommunistischen Regimen galt Jazz als Symbol des Westens, und machte ihn verdächtig. Jazz lebt von Improvisationen und ermöglicht den Musizierenden ihre eigene Identität zum Ausdruck zu bringen, und stand daher den kommunistischen Idealen entgegen. Folge dessen war Jazz staatlich kontrolliert und streng überwacht. Dennoch entwickelte sich in Prag eine lebendige Jazzszene, die jedoch zumeist im Untergrund agierte. Jazzmusiker und ihre Fans waren kreativ und trafen sich in privaten Wohnungen oder geheimen Clubs. Ein Prager erzählte mir auch von Hochzeiten, zu denen Jazzmusiker eingeladen wurden, und die Feier mit einem privaten Jazzkonzert endete, und von der Geheimpolizei zumeist unbemerkt blieb.

Vor diesem Hintergrund, dass Jazz während des kommunistischen Regimes streng kontrolliert wurde, und viele Jazzmusiker Repressionen ausgesetzt waren, erklärt sich diese Begeisterung der Jazzmusiker, die ich Anfang der 90er Jahre auf Prags Straßen erlebte. Das Ende des totalitären Systems bedeutete auch für den Jazz einen Befreiungsschlag und brachte ihn vom Untergrund in die Öffentlichkeit.

Heute hat Jazz einen bedeutenden Platz in der Musikgeschichte von Prag eingenommen. Es gibt zahlreiche Clubs und Jazz trägt zur kulturellen Vielfalt und Dynamik der Stadt bei.

Prag und Kuba

Aus heutiger Sicht erinnern mich die Prager Jazzmusiker, die ich Anfang der 90er Jahre auf den Straßen erlebte, an den Buena Vista Social Club in Kuba. Obwohl es sich um unterschiedliche Musikgenres handelt und sie jeweils ihre eigene einzigartige Geschichte und Stilrichtungen haben, spielt Improvisation eine wichtige Rolle. Beide Genres haben afrikanische Wuzeln, sind geprägt von einem Miteinander und einem Gemeinschaftssinn, haben eine starke kulturelle Identität und Tradition und nicht zuletzt einen bedeutenden Einfluss auf die Weltmusikszene. 

Jazz is not just music, it is a way of life, it is a way of being, a way of thinking. (Nina Simone)

Internationaler Tag des Jazz 

Der „Internationale Tag des Jazz“ wurde 2011 von der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ins Leben gerufen und wird seither jährlich am 30. April gefeiert. Jazz ist wesentlich mehr als Musik. Es ist eine Kunstform, die stark von kulturellem Austausch geprägt ist und gilt als Medium für die Förderung von kultureller Vielfalt, Zusammenarbeit und interkulturellem Dialog. Jazz steht aber auch für freie Meinungsäußerung, Frieden, Gleichberechtigung der Geschlechter und die Stärkung junger Menschen aus marginalisierten Gesellschaften.

Der Internationale Tag des Jazz bietet eine Gelegenheit, diese Botschaften zu verbreiten und die Werte des Jazz als Instrument für Freiheit, Kreativität, Vielfalt und Einheit zu feiern. Mehr Informationen zum Internationalen Jazz Tag gibt es hier.

Gerade in Zeiten, wo unterschiedliche Kräfte an den Pfeilern unserer Demokratie sägen, Individuen zunehmend das Ich über das Wir stellen, Politiker von Freiheit reden und Uniformität und Ausgrenzung propagieren sowie mit Hassparolen versuchen, die Gesellschaft zu spalten, ist es eine gute Gelegenheit, sich auf unsere demokratischen Werte und mehr Menschlichkeit zu besinnen. Der Internationale Jazztag bringt nicht nur Menschen auf der ganzen Welt zusammen, sondern trägt auch dazu bei, eine positive Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken.

In diesem Sinne, Let’s join Jazz.

#jazzday #prag #freiheit #vielfalt

Fotostrecke: Der Glanz Andalusiens

Das neue Jahr soll mit viel Sonnenschein beginnen, und dieser Traum erfüllt sich in Südspanien. Die Schönheit Andalusiens erschließt sich erst auf den zweiten Blick, dann aber prachtvoll, einzigartig und vielfältig..    

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Der Weg zur Schule

Egal ob Sommer oder Winter, die Sonne war noch nicht aufgegangen und oft war es noch dunkel, als sie, ich nenne sie Friederl, das Haus verließ. Der Weg ins Tal war steil und führte ins angrenzende Bundesland, die Steiermark. Im Wanderführer würde heute stehen: gute Grundkondition und Trittsicherheit erforderlich. Achtung, weidende Kühe. Höhenunterschied 200 Meter, Dauer ca. 1 Stunde.

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Endlich Irland

Es gibt drei Konstanten in Irland: das satte Grün der Landschaft, der nächste Regen und das Guinness. Während in weiten Teilen Europas Menschen unter der Hitze stöhnen, ziehen wir den Zipp der Windjacke hoch, die Kapuze über den Kopf und inhalieren frische Atlantikluft. Trotz einzelner Regenschauer ist es ein guter Zeitpunkt, die Insel zu bereisen. 

Vor drei Jahren hatte ich mich auf eine Irlandreise gefreut, und davon geträumt mit dem Pferd den Strand entlang zu galoppieren. Die Reise war gebucht, dann kam Corona, und sie wurde verschoben und schließlich storniert. Nun ist es soweit, mit dem kleinen Unterschied, dass wir drei Reisende nicht aufs Pferd, sondern in ein Mietauto steigen. Wir kreuzen die Insel von Ost nach West und fahren von Galway entlang der Westküste in Richtung Süden und gegen den Uhrzeigersinn wieder zurück zum Ausgangspunkt nach Dublin. An touristischen Attraktionen und wo es uns gefällt, halten wir. 

An den Linksverkehr gewöhnt man mich rasch, nach kurzer Beratung, wo auf der mehrspurigen Fahrbahn nun die Überholspur sei, einigen wir uns, und auch der erste Kreisverkehr ist problemlos. Die größere Herausforderung sind die teilweise engen Landstraßen, die wie asphaltierte Feldwege wirken. Während ich bei 50 km/h bereits Unbehagen unter den Mitreisenden wähne, und die Geschwindigkeit reduziere, scheint die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h verrückt. Damit gibt es auch keine Radarstrafen zu befürchten.

Grün, grüner, am grünsten

Irland bezeichnet man als die grüne Insel. Und das ist sie auch. Alle Schattierungen von dunkel- und hellgrün, oliv-, smaragd-, tannen- und apfelgrün prägen die Landschaft, und wenn sich die Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolken bahnen, zeigt sich das grüne Farbspiel durch Licht und Schatten in ihren feinsten Nuancen und euphorisiert jedes zuvor in Regen getränkte Gemüt. Wiesen leuchten und präsentieren sich entsprechend der Grashalmlänge gestriegelt oder vom Wind zerzaust. Hügel beeindrucken durch ihre makellosen Oberflächen. Blumen sind rar und setzen gelegentlich dezente Akzente. Vereinzelt heben sich Ansätze von Sträuchern ab, Bäume sucht man vielerorts vergeblich. Eine karge grüne Landschaft, die Idylle und Unberührtheit vermittelt, an der sich der Betrachter erfreut und Irland einzigartig macht. Dabei war einst Irland bis zu 80 % bewaldet. Massives und kontinuierliches Abholzen führte über Jahrhunderte in weiten Gebieten zu einem Kahlschlag. Anfang des 20. Jh schrumpfte der Baumbestand auf nur mehr 1 %. Seit den 1960er Jahren und verstärkt seit dem EU-Betritt Irlands und entsprechenden Förderungen wird aufgeforstet. Der Baumbestand beträgt nun wieder mehr als 11 %. Im aktuellen Klimaschutzplan sollen jährlich weitere 22 Millionen Bäume bis 2040 gepflanzt werden.

Irland’s Steilküsten

Den „Cliffs of Moher“ nähern wir uns, wo die Felsen 200 Meter senkrecht in den Atlantik stürzen. Die Steilküste diente einigen Filmen und Musikvideos als Kulisse und ist eine Touristenattraktion. Mehr als 1,5 Mio Besucher waren es 2018. Frischer Wind bläst vom Atlantik und der Blick über das Meer ist endlos. Obwohl das Wasser ruhig wirkt, peitschen die Wellen an die Felsen und ihr Rauschen die Klippen empor, und vermitteln selbst am heutigen Sonnentag einen Hauch Dramatik. Über Millionen von Jahren formte das Meer Buchten in die 8 km lange Steilküste. In den Klippen nisten Vogelkolonien, die man aufgrund der Distanz ohne Fernglas jedoch kaum erkennt. 
Inzwischen trennen schulterhohe Felsplatten und Mauern den Wanderweg vom Abgrund. Laut Zeitungsberichten stürzt jeden Monat ein Mensch von den Klippen in den Tod. Einige freiwillig, andere leichtsinnig für ein möglichst spektakuläres Selfie.

Cliffs of Moher

Wir setzten unsere Fahrt auf dem Wild Atlantik Way fort. Auf den Ring of Kerry habe ich mich besonders gefreut. Diese Panoramaküstenstraße führt entlang einer Halbinsel und gilt weltweit als eine der schönsten. Wir starten bei Regen, der Scheibenwischer arbeitet auf Hochtouren. Ich sitze heute auf dem Rücksitz und verfolge die Regentropfen, wie sie die Scheiben runterlaufen. Aus dem Radio ertönt „Surfin‘ USA“ von den Beach Boys. Ein Kontrast im Momentum.
Schwimmer hüpfen im Neoprenanzug in die Wellen. Das Meer hat zwischen 12 und 14 Grad. Es ist Juli und damit Hochsommer, und ich konstatiere, dass sich Irland nicht für einen Badeurlaub eignet.  
Wir passieren kleine nüchterne Landhäuser mit unauffälligem Charme entlang der Straße und auf Hängen in bester Lage.
Es hat zu regnen aufgehört und wir halten an den Cliffs of Kerry. Eben zeigt sich sogar die Sonne und ich staune erneut, welchen Unterschied es macht, wenn sie scheint.

Cliffs of Kerry

Das Bier, das Pub und der Katholizismus

Abgesehen vom Genuss eines Guinness ist die Pubmeile in Dublin ein Erlebnis. Der Abend ist mit 18 Grad für irische Verhältnisse ein lauer und die Iren entsprechend hochsommerlich gekleidet. Junge Frauen flanieren bauchfrei und in kurzen Röcken, Männer in Shorts, während ich meine Strickjacke gut vertragen kann. Pubs und die Straßen davor sind belebt. Zu allseits bekannten Texten irischer Folk Musik wird lautstark mitgesungen. Ältere Damen mischen farblich mit den jungen mit, lila-gefärbtes Haar scheint derzeit im Trend zu sein, üppige Tattoos auf straffer und schlaffer Haut ebenso, nur exzessives Gesichtspiercing fiel mir nur bei den Jugendlichen auf. Die Atmosphäre ist fröhlich und entspannt und ich beobachte ein tolerantes Neben und Miteinander von Menschen dreier Generationen.
Kaum vorstellbar, dass bis vor nicht allzu langer Zeit Irland noch die letzte Bastion eines aus der Zeit gefallenen erzkonservativen Katholizismus war, und von despotischem Klerus beherrscht wurde. Die Gesellschaft hat sich tiefgreifend gewandelt.

Die irischen Gärten 

Irland’s Gärten sind eine Augenweide, eine Pflanzenvielfalt aus imposanten Bäumen, bunten Blumen und akkurat geschnittenen Hecken. Wir besuchen den Powerscourt Garten, und es regnet. Angelehnt an die italienische Gartenkunst, wurde dieser Mitte des 19. Jahrhunderts wie ein Amphitheater in Stufen angelegt. Verschiedene Pflanzen wurden aus Italien herbeigeschafft, aber nicht nur von dort. Der Weg führt vorbei an alten Zedern, Zypressen und Lärchen, die bereits vor 200 Jahren angelegt wurden. Beeindruckend ist der riesige Rhabarber unter dessen Blätter ich Schutz vor dem Regen finde. Bedingt durch das feuchte und vom Golfstrom beeinflusste Klima, sind die Temperaturen im Winter ausreichend warm, sodass hier auch exotische Pflanzen und Palmen wachsen. Kaum auszudenken, wie die Farben bei Sonnenschein strahlen würden. 

Powerscourt Garten

Eben fällt mir auf, dass ich keinem einzigen Irischen Wolfshund begegnet bin. Mit scheint, ich muss doch noch einmal zurück. 

Azoren im Winter

Ich suche nach einer Alternative zum Schifahren und finde eine Silvester-Wanderreise auf den Azoren. Wie originell, denke ich, und buche. Mehrere Wochen verfolge ich das Wetter und glaube zu wissen, es war ein Fehler. 

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Cardo Maximus. Den Römern im Orient auf der Spur …

Die Stadt lebt. Händler und Käufer verhandelnd lautstark Preise, Sklaven schleppen Säcke durch winzige Gassen und Kamele brüllen bei jedem Zentner Last, der ihnen aufgeladen wird. Lange fliegende Gewänder geben dem lebendigen Treiben einen zusätzlichen Impuls und beleben den Duft von Weihrauch, der in den dunklen Winkeln der Säulengänge hängt. Vor dem Brunnen stecken Frauen ihre Köpfe zusammen und kichern.

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