Der letzte Tropfen?

Die letzten Regentropfen fielen im Mai, auf die nächsten hofft man im Oktober. Auf diesen meteorologischen Kreislauf haben sich die Menschen im Irak eingestellt. Im Norden wird der Rasen noch künstlich bewässert, während der Süden vertrocknet. Die Lage ist ernst.  

Auf kargen Hügeln rupfen Schafe die letzten vertrockneten Halme und Dornengewächse. „Das grüne Kurdistan“  liegt im Staub, die Landschaft präsentiert sich in dezenten Farben.

Seit Wochen berichten Medien über die bedrohliche Wassersknappheit im Irak. „Irakische Regierung setzt infolge der Wasserkrise den Reisanbau aus“ und „Dem Irak geht bald das Wasser aus“ verkünden die Schlagzeilen.  Die Flüsse Tigris und Euphrat durchziehen den Irak und versorgen 98 Prozent des Landes mit Wasser – sie sind Grundlage für Trinkwasser, Landwirtschaft, Stromversorgung und Transport. Derzeit befindet sich der Tigris auf seinem historischen Tiefstand.
Dieser Trend hat mehrere Ursachen: Zum einen ist er auf abnehmende Niederschläge aufgrund des globalen Klimawandels, und mehrere schwere Dürren in den letzten 30 Jahren zurückzuführen. Niederschlagsprognosen erwarten eine weitere Zunahme des Dürregrades. Das irakische Landwirtschaftsministerium beziffert den Verlust von landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Desertifikation seit den 70er Jahren mit 40 bis 50 %. Zum anderen sind ein schlechtes Wasserressourcenmanagement, eine verfehlte Wasserpolitik aller Staaten im Tigris River Basin und der Bau von Staudämmen im türkischen und iranischen Teil des Tigris-Beckens dafür verantwortlich (Quelle: Save the Tigris). Ein neues Wasserprojekt in der Türkei befindet sich derzeit im Bau und umfasst die Errichtung von 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken am Tigris und dem Euphrat. Die irakische Regierung prognostiziert als Folge für den Irak eine 80 %ige Reduktion der Wassermenge im Tigris und hat das Nachsehen.

DSC_0840Die Trockenheit ist sichtbar: ausgetrocknete Flussbetten, in denen Boote auf Grund liegen; Fische die ihr Lebenselixier Wasser verloren haben und zwischen den Steinen verendeten; in Bagdad marschieren Menschen durch den Tigris, wo früher Schiffe verkehrten; aus Bewässerungskanäle staubt es, Anbauflächen liegen brach und Desertifikation erstreckt sich bis zum Horizont.

Dürre ist nicht nur der Verlust von Wasser, sondern hat weitreichende Folgen: Weniger landwirtschaftliche Produktion führt zu Ernährungsunsicherheit und zu steigender Armut. Der mit Trockenheit verbundene Einkommensverlust hat viele Haushalte bereits gezwungen, in die Städte zu ziehen, wodurch sich die städtische Verarmung verschärft. Dürre belastet die Umwelt, da Stromerzeugung aus Wasserkraft durch die Verbrennung von fossilen, nicht erneuerbaren Ressourcen wie Öl, Gas und Kohle kompensiert wird, wodurch mehr CO2-Emissionen ausgestoßen werden. Mehr Trockenheit führt zu einer Zunahme von Sandstürmen. Wassermangel gefährdet die Gesundheit, indem Menschen vermehrt verunreinigtes Wasser trinken, während Trockenheit und Sandstürme zu einem Anstieg von Atemwegserkrankungen führt. Dürre gefährdet auch den Frieden und die Stabilität. Seit Juli dieses Jahres demonstriert die Bevölkerung im Südirak infolge katastrophaler Lebensbedingungen. Zuerst, weil sie keinen Strom hatten, dann weil durch verseuchtes Wasser mehr als 20.000 Menschen erkrankten.
Der Wettbewerb um die Ressource Wasser, begleitet von einer wachsenden Bevölkerung und den Folgen des Klimawandels, wird sich künftig verstärken und bereitet Sorge.

Wie sehr Wasser das Leben verändert, erlebe ich derzeit im Irak, wo es auszugehen droht – und ich erlebte es vor einigen Jahren in Nordmali, wo für die Bevölkerung Wasser bereitgestellt wurde. Im Rahmen eines Nothilfeprojekts mit der Welthungerhilfe stärkten wir die lokale Wirtschaft in der Provinz Timbuktu. Eine Komponente war dem Gemüseanbau gewidmet. Durch die Errichtung von Brunnen und Bewässerungssystemen wurden insgesamt 60 ha Anbaufläche im Wüstensand geschaffen, wo schon bald Karotten, Kartoffeln, Gurken, Tomaten, Auberginen, Zucchini, Chilli, Bohnen etc. gedeihten, und kurz darauf die Märkte füllten.

 

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

7 Kommentare zu „Der letzte Tropfen?“

  1. Hat dies auf GERDA KAZAKOU rebloggt und kommentierte:
    Regina Tauschek lebt seit zwei Jahren im kurdischen Irak und schreibt über ihre dortigen Erfahrungen sehr informative, sachlich-ausgeglichene Berichte. Keine Kriegsberichterstattung, sondern über das Leben der Bewohner. Hier geht es um die zunehmende Wasserknappheit, ihre Ursachen und Folgen. Sehr lesenswert.

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