Erinnerungen an Saddam’s Terror

„ … Mutter, Vater das Ba’ath Regime wird mich hinrichten. Wir werden uns nie wieder sehen“. Diese Zeilen schrieb Muhsin, 15 Jahre alt, an die Wand seiner Gefängniszelle.

Amna Suraka ist das ehemalige Hauptquartier der Mukhabarat, Saddam Hussein’s Geheimdienst. Auf dem Gelände stehen mehrere Gebäude, eines davon diente als Gefängnis. Für viele Kurden ist Amna Suraka ein Synonym für den Tod.

Ich betrete das Gebäude. Es ist still. Ich bin die einzige Besucherin. Vor mir öffnet sich die Tür zu einer kleinen Gemeinschaftszelle. Hier wurden Jugendliche unter 18 Jahren zusammengepfercht, oft bis zu vierzig. Ihr Alter wurde von einem medizinischen Komitee auf 18 Jahre angehoben, um das Todesurteil vollstrecken zu können. Wie bei Muhsin.

Im Trakt ist es düster, die Luft stickig. Betonzellen – eine gerade mal so groß wie eine Toilette – reihen sich aneinander. Schwalben haben sich in den Belüftungsschlitzen eingenistet. An den Wänden erinnern Zeichnungen – ein Vogel, eine Blume – an die Gefangenen. Einige schrieben Gedichte, ihre Namen mit Datum oder kurze Mitteilungen – wie Muhsin. Lebenszeichen von Inhaftierten.
Die Tür zur letzten Zelle ist geöffnet. Hier steht Atta Ahmed Qadir, als Skulptur nachgebildet. Atta war Schullehrer und bekannt für seinen Mut und seine Tapferkeit im Kampf gegen die Unterdrückung. Von dieser Zelle wurde er in das Gefängnis Abu Ghraib überstellt und dort 1990 hingerichtet. Für die Kurden gilt er als Symbol für den Freiheitskampf.

DSC_0039Der ursprüngliche Zustand des Gefängnisses wurde weitgehend belassen. Alltagssituationen sind heute mit Skulpturen veranschaulicht, wie etwa ein Gefangener, der am Handgelenk an die Wand gekettet ist. In dieser Position mussten sie oft mehrere Stunden ausharren. Zeitzeugen erzählen, dass Sicherheitsbeamte im Vorbeigehen ihre Zigaretten an ihnen ausdrückten oder sie willkürlich traten. Psychoterror.

Rechts führt ein Gang zu den Verhörräumen und damit zu den Folterkammern. Mit Schlägen auf die Fußsohlen oder unter Anwendung von Elektroschocks auf empfindliche Körperteile wurden Gefangene zu Aussagen gezwungen. Unter den Qualen gaben sie oft Taten zu, die sie nicht begangen haben.

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Im Zimmer nebenan hängt ein Gefangener an seinen rückwärts zusammengebundenen Händen, oft wurden ihm noch bis zu 30 kg Gewicht an die Hüfte geschnallt. Mit einem Draht um den Hals verabreichte man ihm zusätzlich Stromstöße. Türen wurden entweder geschlossen oder bewusst offen gelassen, sodass Schreie und das Stöhnen der Gefolterten für die Mitgefangenen zu hören waren. Viele Gefangene starben bei diesen Foltermethoden.

Im nächsten Raum stehe ich vor zwei käfig-artigen Zellen. Verstaubte Decken bedecken die Steinfliesen. Der Raum ist erdrückend, die Luft schwer zu ertragen. Im Vergleich zu den anderen Zellen, sind diese hier größer. Mehr Platz hatten die Gefangenen jedoch nicht, im Gegenteil. Rund 150 Jugendliche und Männer wurden hinter die Gitter gezwängt, nachdem sie verhört und gefoltert wurden. Jedem stand eine Fläche in der Größe von drei Ziegelsteinen zur Verfügung, wodurch sie gezwungen waren, in Schichten zu schlafen. Zu Essen gab es nur das Nötigste. Gerade soviel, dass die Organe nicht versagten.

Frauen waren in einem Raum im angrenzenden Trakt eingesperrt. Schwangere brachten dort ihre Kinder zur Welt. Viele von ihnen wurden in der Nachbarzelle vergewaltigt. Die meisten von ihnen wurden miteingesperrt, da ihre Männer politische Gefangene waren, einige wurden aus sexueller Begierde auf der Straße festgenommen und hierher gebracht, wie Zeitzeugen berichten.

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Ich verlasse das Gefängnis. Draußen hat es noch spätsommerliche 26 Grad, die Sonne scheint. Wärme verspüre ich nicht. Ich atme einmal tief durch und quere das Gelände. Die Fassaden sind mit Einschusslöchern übersät. Spuren der Befreiung. Zwischen dem ehemaligen Verwaltungsgebäude, der Offizierskantine und der Kontrollzentrale des Geheimdienstes befindet sich ein Innenhof. Alte, inzwischen vom Rost befallene, Kriegsrelikte sowjetischer Herkunft, die von der irakischen Armee zurückgelassen wurden, füllen den Platz. Unter Saddam Hussein’s Herrschaft wurden hier die Gefangenen  hingerichtet – gebündelt in kleinen Gruppen.


Amna Suraka befindet sich in Sulaymaniya und wurde von Saddam Hussein’s Geheimdienst von 1986 bis 1991 genutzt. In dem Hochsicherheitsgefängnis waren vorwiegend politische Gefangene inhaftiert: Studenten, Dissidenten und jene, die mit dem Ba’ath Regime in Konflikt gerieten. 1991 wurde es in einem bewaffneten Kampf von den Kurden eingenommen und die Gefangenen befreit. Seit 2003 ist Amna Suraka ein Museum und erinnert an die Verbrechen des Saddam Hussein Regimes.

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

Ein Gedanke zu „Erinnerungen an Saddam’s Terror“

  1. hi regina! wie immer toll geschrieben, umso mehr bei so tragischen themen merkt man deine professionalität im schreibstil, bin wirklich beeindruckt.
    hab grade erfahren, dass es im nord-irak ein erdbeben gab. geht es dir gut?
    glg und bis hoffentlich bald mal in österreich, barbara

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