Die Kunst als Sprachrohr und ein Mensch, der bewegt

1986 als Künstler geboren, galt sein Interesse als Jugendlicher nicht den Waffen, sondern den Farben. Politik und Religion empfindet er als eine Bedrohung, und ohne Religion wären die Menschen heute besser.


Galerie Dohuk, September 2016.  Lange stehe ich vor dem Bild mit den fünf Gehängten, dessen düstere Farben der Tragödie entsprechen. Das Motiv berührt mich – nachhaltig, und ich begebe mich auf die Suche nach Antworten und dem Künstler.
Heute, 15 Monate später, sitze ich Ahmad Nabaz in einem Cafe in Erbil gegenüber. Vor uns aufgeschlagen der Bildband „Dohuk Gallery – Art is Life“, der seine beiden Werke abbildet, vor denen ich 2016 in der Gallery Dohuk stand.

24131195_1732607083450849_8163644335064093787_n 3Ahmad ist ein kritischer Zeitgeist, ein Denker der jüngeren Generation und Querdenker unter den Kurden. Mit seinen Werken beabsichtigt er, auf politische Missstände und negative Entwicklungen aufmerksam zu machen. Dafür gehen Menschen in autoritären Regimen hinter Gitter oder werden exekutiert – wie Ahmad’s Freund im Iran, dessen Hinrichtung der Anstoß für das Bild mit den fünf Gehängten war. Ein iranischer Künstler, der sich auch politisch für die Rechte der Kurden engagierte. 2011 wurde er dafür im Alter von 24 Jahren gehängt. Iran hat in Relation zur Bevölkerungszahl die weltweit meisten Hinrichtungen.

In seinem Projekt „Zerstörer“ stellt Ahmad Massenmorde und Genozide mit den dafür Verantwortlichen dar. Neben Hitler, Stalin, Pol Pot, Gaddafi, Saddam Hussein und zahlreichen anderen Diktatoren, reihen sich auch Politiker der Gegenwart, weshalb ihm heute die Einreise in die Türkei verwehrt ist.

Ahmad zeigt auf die Zuckerdose auf unserem Tisch. Keiner beachtet sie, wenn sie hier steht, sagt er. Werfe ich sie auf den Boden, werden alle hinsehen. Und so ist es mit Kunst. Die Kunst ermöglicht es, auf Missstände und negative Entwicklungen aufmerksam zu machen und sie hat Einfluß, ist Ahmad überzeugt. Seine Botschaften sind deutlich.

Wer soll sich diese Bilder kaufen und aufhängen? frage ich ihn. Diese Bilder sind nicht käuflich, keiner würde sich diese Tragödien aufhängen wollen, antwortet er. Sie sind für die Galerien bestimmt.
Kannst Du denn von deinen Bildern leben? frage ich ihn. Ahmad lacht – das erste und, ich glaube, das einzige mal in unserem Gespräch – an anderen Stellen schmunzelt er. Nein natürlich nicht, antwortet er. Ahmad lebt vom Einkommen als Dozent an der Universität, wo er Malerei und Moderne Kunst unterrichtet.

Politik und Religion empfindet Ahmed als Bedrohung. Auch für ihn persönlich, weil seine Arbeit als Künstler nicht akzeptiert ist. Wir befinden uns im Zentrum von Erbil. Schau dich um, sagt er, wir sind hier umgeben von vier Moscheen und keiner einzigen Galerie. Achselzucken. Kurzes Schweigen.
Religion spielt in seinen Werken eine ebenso zentrale Rolle wie Politik. Ohne Religion wären die Menschen heute besser, ist Ahmad überzeugt. Mit dem Islam hat er schlechte Erfahrungen gemacht und 2005 seinen Vater und 2015 seinen Bruder verloren. Beide fielen Anschlägen von radikalen Islamisten zum Opfer. Er ist nicht gegen Religion, verdeutlicht Ahmad, doch jede Religion muss die Menschlichkeit und das „Mensch Sein“ bewahren. Davon weichen wir immer mehr ab. Nach seinem Verständnis gibt es nur einen Gott und der ist für alle gleich, egal welcher Religion wir angehören.

Prägend für sein Schaffen war das Lesen, erklärt Ahmad. Im Gegensatz zu vielen Menschen hier, die ein einziges Buch in ihrem Leben lesen – dabei bezieht er sich auf den Koran – habe ich viele Bücher gelesen. Die meisten in Kurdish, einige auch in Arabisch und Persisch. Lesen hat mich geprägt und mein Denken erweitert.

Den Wunsch seiner Eltern, Arzt zu werden, erfüllte ihnen Ahmad nicht. Anfangs war die Familie wenig begeistert von seinen Ambitionen als Künstler. Als die ersten Werke entstanden, begannen sie sich jedoch dafür zu interessieren. Heute steht die Familie hinter ihm.
Woher kommt dein künstlerisches Talent? frage ich ihn, nachdem Vater und Bruder Peshmerga-Kämpfer waren. Es gibt keinen in meiner Familie, es muss wohl viele Generationen zurückliegen, antwortet Ahmad. Aber, als Künstler wird man ja bekanntlich geboren, fügt er trocken hinzu und schmunzelt.

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

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