Versteckt hinter ihren Bildern, sitzt Tara auf einem Polster und erstellt Skizzen. Hier ist ihre Werkstatt, ihr Ort für Inspiration, ihr soziales Zentrum, ihr zweites Zuhause. Ein Paradies für Künstler.
Die ehemalige Tabakfabrik in Sulaymaniyah ist eine Institution. Sie prägte das Leben vieler Kurden im Nordirak, und war zugleich ihr Schicksal. Mehr als 1.500 Menschen waren hier beschäftigt, darunter viele Frauen. Eine Revolution in der damaligen Zeit, als Frauen traditionell nur Hausfrauen sein durften. Auf 30 Dienstjahre blicken jene zurück, die von Anfang an dabei waren. Mehrere Tonnen Tabak wurden täglich verarbeitet, Millionen Zigaretten jährlich produziert. „Republik Zigarette“ stand auf der ersten Packung.
Das gegen Irak verhängte Wirtschaftsembargo Anfang der 90er Jahre zwang die Fabrik zu schließen. Mehrere Anläufe zur Inbetriebnahme blieben erfolglos und waren von kurzer Dauer, diverse Abrisspläne schlugen fehl. Stattdessen setzten sich Kunstschaffende gegenüber Industrie und Wirtschaftstreibende mit einem Projekt zur Förderung von Kultur und Kreativwirtschaft durch. Die Wirtschaftskrise im Jahr 2015 brachte den ehrgeizigen Plan ins Stocken, jedoch nicht zum Abbruch. Im obersten Stockwerk eines Gebäudes haben sich aufstrebende Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers eingerichtet. Hier treffe ich Tara.
Tara Abdulla studiert Malerei auf der Kunstuniversität in Sulaymaniyah. Seit zwei Jahren kommt sie fast täglich hierher. Die 20-jährige malt, experimentiert und findet sich selbst. Ihr Talent zur Malerei entdeckte ihr Lehrer auf der Hochschule, wofür ihre Eltern wenig Verständnis haben. Zuhause darf sie nicht malen, somit schätzt Tara diese Räumlichkeiten umso mehr, um ihre Haus- und Projektarbeiten für die Uni vorzubereiten. Die Unterstützung missfiel dem Vater. Im letzten Jahr kam er vorbei. Sein Versuch, ihre Bilder zu zerstören, scheiterte. Die junge Künstlerin ist immer noch hier, malt und beeindruckt.
Darüber hinaus werden in den adaptierten Räumlichkeiten Workshops für junge Künstler angeboten, Musiker treffen sich zu Proben, Besprechungsräume werden von Wissenschafts- und Schreibclubs genutzt, Skateboarder erfreuen sich an einem Miniaturpark, ein Graffiti-Kollektiv stieß kürzlich dazu, und es gibt ein kleines Café.
Die Struktur der Fabrik wurde belassen und verleiht dem Ambiente seinen Charme. Hinter schweren Eisentüren verbergen sich Ateliers und Werkstätten, an alten Trägern hängt filigrane Kunst, alte Armaturen werden beeindruckend ins räumliche Design integriert, Paletten sind Teile von Hängelampen, ein Fahrrad ist weit über den Köpfen in den Fensterrahmen gestellt. Der Gang durchs Künstlerloft ist ein erlebnisreicher.
Auch Tara hat ihren Bereich gemütlich eingerichtet. Eine große Hängematte in der Ecke lädt zum Verweilen ein, und wird auch von Anderen gerne genutzt.
Dem Zentrum liegt die Philosophie zugrund, dass alle Künstler zusammenarbeiten und sich frei entfalten können. Außerdem wird in der Fabrik ständig recycelt und auch alles geteilt. Ein wunderbarer Ort.
Wie wunderbar! Alle meine guten Wünsche, dass das Projekt weiterhin gedeiht und die Väter sich mit der Entwicklung ihrer Töchter versöhnen!
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Oh ja, das wünsche ich mir für diese Freigeister auch
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Liebe Gini,
Sehr schöner Blog. Hier in Europa kann man sich gar nicht vorstellen , dass es auch das andere Kurdistan gibt. Vielen Dank für den Bericht und toll, dass du so viele verschiedene Mensch kennenlernst.
Ganz liebe Grüße,
Oskar
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Vielen Dank, lieber Ossi! Das ist das schöne an meiner Arbeit, so viel zu entdecken und so viele interessante Menschen kennenzulernen. Aber das kennst Du ja auch alles. Wünsche Dir eine gute und spannende Weiterreise um die Welt. Ganz liebe Grüße
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Ein wunderbarer Beitrag, der Hoffnung gibt
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Vielen Dank, liebe Rosi!
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