Die Mauer von Bethlehem

Knapp zehn Kilometer und ein Checkpoint trennt Bethlehem von Jerusalem. Der Nahostkonflikt drängt sich hier auf. Bansky hilft dabei.

„Make Hummus not Walls” schreibt ein Straßenkünstler auf die Mauer, die dem Walled Off Hotel die schlechteste Aussicht beschert. Doch alles der Reihe nach.

Mit dem Taxi fahre ich 20 Minuten von der Jerusalemer Altstadt zum Checkpoint. Nach einigem hin und her gehe ich dort hinein, wo „Exit“ draufsteht, und laufe durch einen Betontunnel von Israel ins palästinensische Autonomiegebiet. Am Checkpoint herrscht aufgrund moslemischer Feiertage Hochbetrieb, denn die in Bethlehem und damit in der Sperrzone Lebenden, wollen ihre Verwandten und Freunde auf der anderen Seite sehen. Für viele ein unerfüllter Traum. Eine Frau mit ihren zwei Kindern und den Papieren in der Hand blickt verzweifelt um sich. Sie darf nicht.

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Hinweisschild vom Herodium nach Bethlehem

Mit einem palästinensischen Taxi geht die Reise weiter und ich besuche das, wofür die meisten Touristen nach Bethlehem kommen – Hirtenfeld, Geburtskirche, Milchgrotte und das Herodium. Das Westjordanland und auch Bethlehem sind in A, B, C Zonen geteilt. Daraus erschließt sich, ob Israelis oder Palästinenser für die Verwaltung und die Sicherheit zuständig sind. Das Stadtzentrum in Bethlehem liegt in der Zone A und ist mit einem entsprechenden Schild markiert. Israelis ist der Zutritt per eigenem Gesetz verboten.

Auch das Aida Camp möchte ich sehen. 1950 wurde das Camp mit knapp 100 Zelten für rund 1,125 Flüchtlinge aus Jerusalem und Hebron errichtet. Heute leben hier 3,150 Menschen in der dritten Generation. Zelte sind durch Festbauten ersetzt, die bei Bedarf aufgestockt werden. Wir fädeln uns mit dem Auto durch die engen Straßen. Die Lebensbedingungen sind schlecht, die Basisinfrastruktur nur teilweise vorhanden. Müll sammelt sich in einer kleinen Deponie vor der Mauer, in einem kleinen Kiosk wird Wasser, Chips und Zigaretten angeboten, ein Mann repariert ein Auto, Kinder zielen mit Plastikpistolen in die Gassen. 43 % der Campbewohner sind arbeitslos. Kaum Perspektiven für die Menschen, die hier leben. Das Camp verlassen wir durch ein Schlüsselloch, darüber hängt ein großer Schlüssel als Symbol für den „key to return“. Auch nach 78 Jahren haben die Campbewohner die aussichtslose Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Häuser nicht völlig aufgegeben.

Meine Taxifahrt durch Bethlehem endet vor dem Wachturm der Mauer, die Israelis, Palästinenser und Christen einerseits, von Palästinensern und Christen auf der anderen Seite trennt. Künstler haben hier ihre Spuren hinterlassen, auch Bansky.

Ein Schriftzug „Make Hummus, not Walls“, Kinder die mit dem Hula Hoop Reifen aus Stacheldraht spielen, ein Soldat, der sich dem Pferd in den Weg stellt, eine Friedenstaube mit Schutzweste im Fadenkreuz, der Aufständische, der mit Blumen wirft, ein Mädchen, dessen Luftballons sie über die Mauer tragen, ein weiteres, das vom Palestine Wonderland durch eine kleine Tür in die Welt blickt – Bilder, die auf die Situation der Menschen hinweisen, Botschaften des Friedens und der Hoffnung. Auch ein Taxifahrer nützt die Mauer und wirbt für Kundschaft, und so mancher Gedankenlose vergreift sich ebenfalls an der Spraydose. Die Mauer lebt. Auch durch Künstler und Friedensaktivisten aus Israel.

Aeicenter eine nationale Nicht-Regierungsorganisation hat Geschichten von Jugendlichen gesammelt, auf Wandposters gedruckt und auf der Mauer veröffentlicht. Hier ein Beispiele:

My parents’s bed – I used to be so afraid at night. I would wake up to the sound of shooting in the distance in Beit Jala, a city near Bethlehem where I lived, but I always thought it was right outside our house. I would shake my brother awake, but my sister would never wake up so I would carry her to my parents room and we would all squeeze into my parents’ bed. After a while, my parents decided to put all of our beds in their bedroom, and then I wasn’t so afraid anymore. I thought that it was better to be together, in case anything happened, we would be together, and if we died, we would die all together.“

hier noch eines:

My first dream – I just finished my university and I have my degree to become a doctor. But that was not what I wanted to become in life. I wanted to become an artist and inspire people and tell the story of Palestine. But my parents didn’t see any future in that and I was forced to study medicine. Now I have my degree but there’s no work. I have lots of time now, because I can’t find work. I decided to pick up my faded dream and work on my art. Finally, I’m an artist.“

Entlang der Mauer führt auch die Strecke des Palestinian Marathon, der seit 2013 jährlich stattfindet. Die Teilnehmer müssen eine elf Kilometer lange Strecke viermal im Kreis laufen, und vermeiden damit Checkpoints, die den Weg versperren.

DSC_0764Ebenfalls entlang der Mauer befindet sich das „The Walled Off“ Hotel, das Banksy hier errichtet hat. Der Hotelname deutet auf die Lage des Hotels, mit dem Werbeslogan „das Hotel mit der schlechtesten Aussicht“ lockt er Kunden – und nicht nur damit.
Dem Hotel liegt ein dystopisches Kolonialthema zugrunde, zumal Großbritannien nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches die Mandatshoheit über Palästina hatte. Architektur und Ausstattung bezieht sich auf das Schicksal der Menschen durch den Krieg, und die Folgen der Mauer für die Bevölkerung. Ein Salon im englischen Stil empfängt den Gast. Das Kaminfeuer lodert auf Bauschutt, Engel mit Gasmasken schweben über dem Klavierflügel, fünf Überwachungskameras sind neben dem Kruzifix auf den Esstisch gerichtet – wo übrigens vorzügliches Essen serviert wird – an einem Betonelement analog zur Mauer hängt der Schlüssel zum Zimmer, wo sich Zeitgeschichte und Kunst auf außergewöhnliche Weise fortsetzt.

„The Walled off“ ist ein Hotel, ein Museum, eine Galerie entstanden als Protest des genialen und außergewöhnlichen Künstlers Banksy. Die Zimmer sind zumeist ausgebucht und das Hotel inzwischen zu einer Touristenattraktion geworden. Und das ist gut so, denn mit dem Hotel haben Menschen in der Sperrzone eine Einkommensmöglichkeit gefunden.

Autor: reginatauschek

Weltbürgerin.

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