Das Jahr geht zu Ende und wie gewohnt, blicken wir zurück. Ich schnipple altes Videomaterial von einer Reise auf das Dach der Welt und erinnere mich an ein unhandliches Satellitentelefon, eine schaukelnde Hängebrücke, das bescheidene Leben einer Viehbauernfamilie und eine atemberaubende Landschaft.
Es gibt Erlebnisse, an die ich gerne zurückdenke, wie etwa die Trekkingtour ins Pamirgebirge. Wir, zwei fröhliche Abendteurer, wanderten sieben Tage in einem Gebirgsmassiv, das sich nördlich nach Kirgistan, östlich nach China und südlich nach Afghanistan ausdehnt. Begleitet wurden wir von einem sechs Mann starkem Team, außerdem hatten wir ein Pferd und einen Esel für den Transport von Lebensmittel, Gepäck und Satellitentelefon dabei. Letzteres sei hier erwähnt, da dieses aus einem Telefon- und einem Batteriekoffer bestand und 15 Kilo wog. Mitte 1998 befand sich Tajikistan noch in den Nachwehen des Bürgerkrieges und die Machtkämpfe rivalisierender Clans waren noch nicht entschieden. Aufgrund der instabilen politischen Situation in einigen Landesteilen mussten wir alle vier Tage mit unserem Arbeitgeber in Duschanbe Kontakt aufnehmen, das nur mit einem Satellitentelefon möglich war.

Die umständliche Anreise
Das Gharmtal war von Mujaheddins kontrolliert und für Ausländer gesperrt, nachdem kurz vor unserer Reise fünf UN-Mitarbeiter in den Hinterhalt gerieten und ermordet wurden. Folge dessen mussten wir das Gharmtal umfahren, und reisten von Dushanbe zuerst in den Norden, querten Kirgistan von Westen nach Osten, und erreichten über den Pamir Highway den Ausgangspunkt unserer Trekking Tour, in der autonome Region Berg-Badachschan. Unterwegs passierten wir mehrere von der Zentralregierung errichteten Checkpoints, wo ein rasches Weiterkommen nur gegen Bezahlung möglich war. Das war der ärgerliche Teil unserer Reise. Noch heute zählt Tadschikistan zu den korruptesten Ländern der Welt.
Die Hängebrücke und das Brot
Bevor es mit der Wanderung losging, wurde noch Fladenbrot bei einer Familie gebacken, die am Ausgangspunkt unserer Tour wohnte. Um ihr Haus zu erreichen, mussten wir einen Gletscherbach auf eine Hängebrücke queren. Diese wackelige Konstruktion über rauschendes Gewässer löste in mir nicht nur körperliches Unbehagen aus, sondern prägte sich nachhaltig als Grenzerfahrung in mein Gedächtnis.
Während unser Koch das Brot vorbereitete, schenkte der Hausherr eine Runde Wodka als Willkommensgetränk aus und griff zu seiner Rubab, einem traditionellen Musikinstrument, und verkürzte uns auf unterhaltsame Weise die Wartezeit.
Schließlich hatten wir einen großen Reissack mit frischem Fladenbrot für die folgenden sieben Tage.



Fantastische Landschaft
Die Landschaft des Pamirgebirges ist gewaltig. Hochwüsten und eindrucksvolle Bergketten mit schneebedeckten Gipfeln wechselten sich ab. Wir wanderten vorwiegend in Flusstälern oder entlang von kristallklaren Bergseen. Weit über der Baumgrenze und umgeben von Gebirgsmassiven befanden wir uns immer auf einer Höhe von über 4.000 Metern.
Gletscherbäche schlängelten sich durchs Gelände, die wir öfters überqueren mußten und spätestens dann zum Nervenkitzel wurde, als dem Esel plötzlich das Wasser bis zum Hals reichte und er zu kippen drohte.
Die Sonneneinstrahlung war aufgrund der Höhe sehr kräftig und die Nächte kalt, sodass kleinere Pfützen am Morgen zugefroren waren.






Das steinerne Dorf
Nach drei Tagen trafen wir in 4.200 Metern Höhe auf eine Familie, die in kleinen Steinbauten lebte. Der Hausherr kam uns entgegen und begrüßte uns freundlich. Die Kinder waren neugierig und aufgeregt über unseren Besuch. Schon bald zupften sie an meiner Kleidung, griffen nach meinen Händen und führten mich um ihr bescheidenes Zuhause. Obwohl die Sonne schien, blies ein kalter Wind und es war mir unvorstellbar, dass einige Kinder barfuß liefen, während ich meine Hände rieb, um sie zu wärmen.



Ich verteilte Schokolade, für die Kinder war es die erste, die sie probierten. Die Familie lebte mit und von ihren Schafen und Yaks.
Bevor wir weitergingen, kehrte die Familie zu ihrer Arbeit zurück. Der Vater sah nach den Schafen, die Mutter sammelte Kuhfladen, die auf dem Dach der Steinhütte getrocknet wurden, und machte damit Feuer, der Sohn flickte mit einem schmalen Lederband seinen Schuh und die Tochter kochte in der Steinhütte in einer großen Metallschüssel Joghurt, um es haltbar zu machen. Die Härte des Lebens und die Fähigkeit des Überlebens dieser Familie in diesem so rauen Klima beschäftigte mich noch lange, und ich erzählte noch oft von dieser Begegnung in unterschiedlichen Zusammenhängen.
Langar Pass
Am vierten Tag erreichten wir den höchsten Punkt unserer Wanderung, den Langar Pass auf 4.900 Metern. Nichts Spektakuläres in dieser Gegend, da der Pass den Charakter eines Sattels hatte und wir auch von hier nicht vom höchsten Punkt hinab, sondern auf die umliegenden 6.000 Meter hohen Berge aufschauten, mit dem einzigen Unterschied, dass wir derSchneegrenze etwas näher kamen.


Schon bald stießen wir auf einen See, der mit seinem türkis-blauem und klarem Wasser wie ein Juwel eingebettet vor uns lag. Dieser Kontrast zum Gestein und den kargen Bergrücken war atemberaubend. Am See schlugen wir unsere Zelte auf. Es war wahrscheinlich der schönste Schlafplatz auf unserer Route, aber auch der kälteste. Wolken zogen auf und der Regen ging schon bald in Schneefall über. Zum Glück war der Niederschlag nicht von Dauer und am nächsten Tag schien wieder die Sonne, sodass die feucht gewordene Kleidung trocknen konnte.
Der verletzte Esel
Wir wanderten entlang des Sees und stießen auf eine Schneezunge, die unseren Weg kreuzte und sich entlang einer Bergfalte bis ins Seeufer streckte. Da die Schneemasse bereits stark unterspült und die Oberfläche nicht mehr kompakt war, wurden unsere Lasttiere durch das Seeufer geleitet, da sie im Schnee tief eingebrochen wären und damit das Verletzungsrisiko hoch gewesen wäre. Während das Pferd problemlos durchs Wasser schritt, geriet der Esel unter Wasser mit einem Bein zwischen zwei Felsblöcke und blieb stecken. Erst nachdem ihm das gesamte Gepäck abgenommen wurde, konnte er aus seiner Lage befreit werden. Allerdings zog er sich dabei am Bein so tiefe Schnittwunden zu und hinkte, sodass ihm für den Rest des Weges die Lasten abgenommen werden mussten. Glücklicherweise befanden wir uns bereits auf dem letzten Abschnitt unserer Tour.
Das zerfledderte Schuhwerk
Mehr als 100 Kilometer durch teils unwegsames Gelände hinterließen Spuren an unserem Schuhwerk, und es gab kaum ein paar Schuhe, wo nicht irgendwo eine Naht aufgegangen war. Auch unseren Esel brachten wir ans Ziel und er konnte sich von seiner Verletzung erholen. Die Tour war zwar anstrengend aber trotzdem sehr schön und ein unvergessliches Erlebnis, an das ich mich gerne erinnere.
Im Folgenden noch ein kurzes Video in dem die oben beschriebenen Eindrücke zusammengefasst sind:
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein gutes Neues Jahr, Gesundheit, Lebensfreude und hoffe, daß uns diese Unberührtheit der Natur erhalten bleibt und solche Reisen bald wieder möglich sein werden.